NY K2
Die Holzplanken unter meinen Schuhen vibrierten leicht bei jedem Schritt, während ich mich über die Brooklyn Bridge schob. Schon von weitem hatte ich die Menge gesehen, die sich wie ein bunter Strom über den Steg zog, und nun war ich mittendrin. Stimmen in allen Sprachen, das Klicken von Kameras, Kinder, die lachend zwischen den Beinen der Erwachsenen hindurchliefen. Menschen drängten in beide Richtungen, schoben sich aneinander vorbei. Ich atmete tief durch, ließ meinen Blick über die Gesichter gleiten. Der Rhythmus der Menge zwang mich weiter. Meine Schultern spannten sich unwillkürlich, als wollte der Körper sich vor der Enge schützen. Zwischen Selfiesticks und hochgereckten Armen drängte ich mich voran. Der Wind vom East River brachte Salz, Abgase und den süßlichen Geruch von Streetfood mit. Fahrräder ratterten über die schmale Spur neben uns, Stimmen und Lachen mischten sich mit dem dumpfen Dröhnen der Autos unter den Planken. Für einen Moment blieb ich stehen, ließ mich von der Dichte des Augenblicks tragen. Ich war hier, in New York, und gleich würde ich Manhattan betreten. Ein Schritt zur Seite verschaffte mir etwas Raum. Ich legte die Hand an meinen Rucksack, prüfte den festen Sitz, und hob den Kopf zu den Türmen der Brücke. Stahl glänzte matt im frühen Licht, Kabel spannten sich wie Saiten nach oben. Unter mir lag der Fluss schwer und dunkel, als würde er den Lärm hinabschlucken. Das Geländer fühlte sich kalt und rau an. Am Horizont tauchte die Sonne die Spitzen der Hochhäuser in gleißendes Licht. Ein Moment, klar und scharf, wie eingebrannt ins Gedächtnis. Um mich herum hoben Menschen ihre Kameras, ein Raunen ging durch die Menge. Ich ließ den Blick über die Schatten der Kabel wandern, dann ging ich weiter. Ein Pärchen neben mir küsste sich, hielt den Moment im Handy fest, während ein Radfahrer im Vorbeifahren fluchte. Ich musste grinsen, sog die Mischung aus Intimität und Chaos in mich auf. Die Stadt fühlte sich roh und nah an, schon jetzt. Der Weg zog sich länger, als ich erwartet hatte. Immer wieder drängten Menschen an mir vorbei, riefen einander zu, zeigten nach vorn auf die Skyline. Mein Schritt wurde schneller, gezielter, als wollte ich die Stadt selbst erreichen. Am Ende der Brücke wuchsen die Häuser höher, rückten dichter, als wollten sie mich verschlucken. Sirenen heulten in der Ferne, Autohupen brachen durch, das Grollen des Verkehrs wälzte sich in breiten Strömen nach Manhattan. Der Geruch von heißem Asphalt und Benzin stieg aus den Schächten der Straße. Mein Puls beschleunigte sich, jeder Schritt wurde schwerer und zugleich leichter. Ich fühlte mich klein und lebendig, hineingestoßen in einen Strom, dem ich nicht entkommen wollte. Ich warf einen letzten Blick zurück auf die Brücke, die sich hinter mir in den Himmel spannte. Menschen strömten unaufhörlich weiter, ohne Anfang, ohne Ende. Ich zog die Tasche fester an mich und richtete den Blick nach vorne. Der letzte Bogen blieb hinter mir, und plötzlich war da Manhattan. Stimmen, Autohupen, der Duft warmer Brezeln von einem Straßenstand, feuchte Hitze zwischen den Häusern. Alles traf mich zugleich, körperlich, direkt. Mit dem ersten Schritt hinein in die Straßen wusste ich: Ich war angekommen.