NY K9
Kapitel 9 Die Lobby riecht nach warmem Holz und frischem Tee. Gedämpfte Stimmen mischen sich mit dem Surren der Klimaanlage. Der Teppich federt meine Schritte, das Licht ist weich und bernsteinfarben, als hätte jemand den Tag in Lampen gegossen. Wasser tropft von meinem Haar in den Kragen; ich wische es weg, während Tessa zur Rezeption geht. Ihre Jacke klebt an den Schultern, Tropfen laufen an ihrem Hals entlang und verschwinden unter dem Stoff. Ein leises Klingeln und das Schließen einer Tür lassen den Raum kurz leer wirken. Mein Blick bleibt an Tessa hängen: die ruhige Bewegung ihrer Hände an der Rezeption, fast in Zeitlupe, während draußen der Regen alles dämpft. Noch bevor wir weitergehen, dreht sie sich zu mir. „Willst du noch hochkommen? Oder lieber nach Hause?“, fragt sie leise. Ich zögere, spüre das kalte Tropfen im Nacken. „Ich sollte vielleicht … aber eigentlich will ich nicht weg.“ Ihr Mundwinkel zuckt, sie hält meinen Blick. „Dann komm – nur wenn du willst.“ Ich nicke. „Ich will.“ Sie lächelt kaum sichtbar, nimmt die Schlüsselkarte entgegen. Wir setzen uns in Bewegung, unsere Schritte verschwinden im Teppich. Zwischen uns liegt eine Spannung, unausgesprochen und doch greifbar, während wir durch den Flur gehen. Kaum ein Wort, nur kurze Blicke. Ein schmaler Korridor aus Teppich und Holz verschluckt die Geräusche. Im Aufzug spiegeln die Wände unser nasses Haar, unsere glänzende Haut. Es riecht nach Metall und Reinigungsmittel, das leise Surren der Kabine begleitet uns. Schultern berühren sich, ihre Hand spielt mit der Schlüsselkarte, mein Atem beschlägt den Spiegel. Ihre Finger streifen meine, ein kleiner, kaum hörbarer Seufzer. In ihrem Spiegelbild sehe ich, wie ihre Lippen sich leicht öffnen, Wassertropfen über ihr Schlüsselbein laufen und im Stoff verschwinden. Ein sanftes Rucken, die Tür öffnet sich. Vor uns liegt ein schmaler, von einer einzelnen Lampe beleuchteter Gang. Gedämpfte Schritte, ein Wechsel der Schlüssel in der Hand. Im Zimmer empfängt uns warme, stehende Luft. Gedämpftes Licht der Stehlampe fällt auf weiße Wände. Frischer Waschpulverduft und ein Hauch Parfum liegen über dem Bett. Ich schließe die Tür, das Klicken des Schlosses klingt lauter als erwartet. Tessa legt ihre Jacke ab, Wasser tropft auf den Teppich. Ich ziehe mein Hemd aus; der Stoff klebt an der Haut und löst sich widerwillig. Stille, nur unterbrochen vom Rauschen des Regens an der Fensterscheibe. Die Luft wirkt schwer, fast elektrisch, als hätte der Regen Wärme eingeschlossen. Ich atme tief, meine Schultern entspannen sich. Sie streicht sich das Haar zurück, Tropfen glitzern auf ihren Wangen wie Glasperlen. Sie sieht mich einfach nur an. Ich öffne das Fenster einen Spalt; kühle Nachtluft dringt herein, mischt sich mit der Wärme. Straßenlicht zeichnet flimmernde Muster auf den Boden, Vorhänge bewegen sich leicht, Regen zerfällt in helle Schlieren. Hinter mir knarrt das Bettgestell, als sie sich abstützt. Ihr Blick bleibt an mir hängen, während der Wind durch den Spalt streicht. Ihre Finger finden meinen Unterarm, leicht, tastend, als wolle sie prüfen, ob ich wirklich da bin. Ich drehe mich zu ihr, rieche Regen, Haut und Shampoo. „Du bist immer noch kalt“, flüstert sie. „Nur außen“, antworte ich. „Dann lass uns warm werden.“ Ein kurzer Moment Stille, schwer und voller Erwartung. Dann gehen wir aufeinander zu. Wir küssen uns, erst vorsichtig, dann länger. Ihre Hände sind kalt und weich, schieben sich unter mein nasses T-Shirt. Meine Finger gleiten an ihrer Taille entlang, spüren die feine Linie zwischen Stoff und Haut. Ihr Atem streift meine Wange, sie schmeckt nach Regen. Fingerspitzen malen Kreise auf meinem Rücken, ihr Daumen verhakt sich am Bund meiner Hose. Ein leises, fast tonloses Lachen, ihr Atem schneller. Draußen rauscht der Regen, ein gleichmäßiger Klang, der uns einhüllt. Der Raum riecht nach Wasser, Wärme, etwas Unbenennbarem. Ihre Hand krallt sich leicht in meinen Rücken, ich streiche ihr über den Nacken, spüre das Zittern. Ihre Haut ist kühl und gleichzeitig glühend, als zöge sie die Wärme erst aus unserer Berührung. Schritt für Schritt bewegen wir uns Richtung Bett, als folgten wir einem unsichtbaren Weg. Das Licht wird mit jedem Meter gedämpfter. Sie zieht mich zum Bett, draußen bleibt die Welt zurück. Das Licht ist golden, das Laken im ersten Moment kühl wie Seide. Schicht für Schicht verlieren wir Nässe, Regen, Kälte. Ich sitze am Bettrand, sie steht vor mir, halb im Licht, halb im Schatten. Ihre Hände gleiten über meine Schultern, ich spüre ihre Wärme an den Schläfen. Dann schiebt sie mich sanft zurück ins Laken, beugt sich über mich. Ihr Haar fällt wie ein dunkler Vorhang um uns, der Geruch von Regen und Haut wird dichter. Sie küsst meinen Hals, ich streiche ihr den Rücken hinab, folge dem leichten Bogen ihrer Wirbelsäule. Unsere Lippen finden sich wieder und wieder, bis sich unser Atem angleicht. Ein Windstoß lässt die Scheibe erzittern, als wollten die Geräusche der Stadt herein. Wir bleiben im Halbdunkel, nur der Regen verbindet uns mit draußen. Wir verharren nicht. Mit einem Lächeln zieht sie mich hoch, führt mich zum Fenster, wo das Straßenlicht flimmert. Wir stehen Stirn an Stirn, Finger ineinander verschränkt. Sie lehnt sich an die Fensterbank, ich stehe dicht vor ihr, der Regen klopft gegen die Scheibe. Wir küssen uns erneut, anders, tiefer. Ihre Hände gleiten über meinen Brustkorb, meine über ihre Taille. Dann sinken wir wieder ins Bett, diesmal nebeneinander, ineinander verschlungen, Gesichter nah. Ihre Finger fahren meine Wirbelsäule entlang, mein Mund sucht ihren Hals, ihre Schultern. Kleine Laute zwischen unseren Lippen mischen sich mit dem dumpfen Tropfen der Dachrinne. Alles klingt gedämpft: unsere Stimmen, unser Lachen. Ich spüre das Laken an den Knien, den weichen Teppich unter den Füßen, den leichten Duft von Holzpolitur aus den Möbeln. Ihr Haar breitet sich wie ein dunkler Schleier aus, noch leicht feucht. Ihr Parfum vermischt sich mit Nachtluft, der feine Geschmack ihrer Haut bleibt an meinen Lippen. Ihre Pupillen sind groß, als spiegelten sie das Licht der Stehlampe. Ich fahre mit den Händen über ihre Arme, ihre Hüften, spüre, wie ihre Muskeln sich anspannen und lösen. Sie zieht mich zu sich, Fingerspitzen graben sich leicht in meine Schulterblätter. Wir bewegen uns langsam, tastend, steigern Druck und lassen wieder los. Nasen streifen sich, Lippen finden einander neu. Draußen spült der Regen die Stadt, drinnen spült er den Rest von uns ab. Zeit verliert Bedeutung, es bleibt nur Atmen, Rascheln, Rauschen. Alles verengt sich auf Haut und Atem, das Zimmer schwebt für einen Moment. Ich nehme das gedämpfte Licht wahr, das sich auf Tessas Haar legt wie ein Signal aus einer anderen Welt. Die Stadt verschwindet hinter dem Glas, nur das Rauschen des Regens bleibt. Das Licht, das durch den Vorhang fällt, bewegt sich wie flüssiges Gold über unsere Haut. Ihre Stirn liegt an meiner, unsere Finger verschränken sich. Ein tiefer Atemzug von ihr, warm an meinem Hals. Ich spüre jeden Schlag ihres Herzens. Draußen zieht ein Windstoß durch die Straße, bringt das Fenster zum Vibrieren, und drinnen gibt es nur diesen Raum, dieses Bett, diesen Regen und uns.